Abschiebungen nach Afghanistan

Der Rat der Stadt Bielefeld hat gestern (Donnerstag, 01.06.2017) mit den Stimmen von SPD, den Grünen, Bürgernähe/PIRATEN und den Linken (gegen die Stimmen von CDU, BfB und FDP) folgenden Beschluss gefasst:

Abschiebungen nach Afghanistan verhindern!

Der Rat der Stadt Bielefeld appelliert an Bundes- und Landesregierung aufgrund der aktuellen Sicherheitslage einen sofortigen Abschiebstopp nach Afghanistan zu verfügen und eine Neubewertung der Sicherheitssituation durch das Bundesaußenministerium zu veranlassen.

Die Verwaltung der Stadt Bielefeld wird gebeten, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern. Dazu gehört u.a. eine Prüfung, ob im Einzelfall ein Aufenthalt aus humanitären Gründen gemäß § 25 AufenthG möglich ist.“

Vorausgegangen war ein Dringlichkeitsantrag der Linken, der sprachlich, inhaltlich und formell allerdings unzureichend war.

Dazu mein Statement im Stadtrat (aus meinen Notizen rekapituliert)

Die von den „bürgerlichen Parteien“ angemahnte nicht vorhandene Zuständigkeit der Kommune in dieser Frage mag formell richtig sein. Gleichwohl haben wir vor Ort unmittelbar mit den Auswirkungen sämtlicher globaler Entwicklungen zu tun. So auch in Fragen von Flucht- und Migrationsbewegungen. Selbstverständlich kann (und soll meiner Ansicht nach) sich auch der Rat der Stadt Bielefeld damit befassen.

Der 20-jährige Asef N. sollte am Mittwoch in Nürnberg aus dem Schulunterricht in Abschiebegewahrsam genommen werden. Ausgerechnet an einem Tag, an dem an seiner Schule ein „Projekttag zu Vielfalt und Toleranz“ auf dem Stundenplan stand. Mit diesen Ambivalenzen – einerseits das Bemühen um Integration und Menschlichkeit, andererseits das Durchsetzen der Gesetze – müssen wir als Gesellschaft auf allen Ebenen umgehen, das alles müssen wir ständig verhandeln. Und das müssen wir eben auch auf der kommunalen Ebene. Daher ist ein Appell an Bundes- und Landesebene völlig richtig.

Im Gegensatz zur gerade getätigten Äußerung der Linken bin ich aber nicht der Auffassung, dass wir die Stadtverwaltung grundsätzlich und pauschal auffordern sollten, „Abschiebungen zu verhindern“ im Sinne von „einfach nicht durchführen“, auch, wenn ich persönlich das für wünschenswert halten würde. Ich fordere die Mitarbeiter der Stadt nicht zum Rechtsbruch auf.

Meiner persönlichen Ansicht nach ist jeder einzelne Bürger in diesem Land dazu aufgefordert, sich gegen offensichtliches Unrecht zu stellen. Insbesondere, wenn es um die Durchsetzung von Menschenrechten innerhalb des bestehenden Rechtes geht. Diese historische Verantwortung hat gerade die deutsche Zivilbevölkerung. Abschiebungen nach Afghanistan sind meiner persönlichen Auffassung nach Unrecht. Ein Land, in das ein deutscher Bürger nur als schwerbewaffneter Soldat geht, ist nicht sicher.

Ich teile das Statement „Auf Schüler, die sich für einen Mitschüler einsetzen, hetzt man keine Hunde und prügelt auf sie ein. Auf solche Schüler ist man stolz“.

Bilder, wie die aus Nürnberg, möchte ich hier nicht sehen. Wir sollten alles dafür tun, damit das nicht in Bielefeld passiert.

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Hintergründe:

Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan: https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html

Festnahme des 20-jährigen Anef in Nürnberg: http://www.sueddeutsche.de/bayern/franken-geplante-abschiebung-loest-tumulte-an-nuernberger-berufsschule-aus-1.3529011

Abschiebung nach Nepal der in Deutschland (Duisburg) geborenen 14-jährigen Bivsi: http://www.focus.de/politik/deutschland/in-deutschland-geboren-duisburger-klassenlehrer-schildert-drama-von-abschiebung-einer-14-jaehrigen-nach-nepal_id_7204203.html

Interview mit Bivsi: http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-duisburg/video-abschiebung-jetzt-spricht-bivsi–100.html

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Bild CC-BY-2.0 : https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ATF_Dingo_in_German_service_(Afghanistan).jpg

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