Der Integrationsrat Bielefeld hat eine Debatte um die Verwendung des Begriffes „Südländer“ angestossen.
„Der Integrationsrat der Stadt Bielefeld wirft der Bielefelder Polizei vor, in ihren Fahndungsaufrufen Ressentiments zu schüren. Die Beamten sprechen darin oftmals von „südländisch aussehenden“ Tätern.
„Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass eine Pressemitteilung der Bielefelder Polizei offensichtlich erneut Vorurteile und Stigmatisierungen ausdrückt und Ressentiments schürt, obwohl nach einem klärenden Gespräch in 2015 bereits ein sensiblerer Umgang mit dieser Thematik zugesichert worden war“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Bezeichnung „südländischer Typ“ werde „ohne Reflexion“ auch von der Neuen Westfälischen übernommen (Stellungnahme im Anhang). „Vermutlich ist hier kein Südländer aus Spanien, Portugal, Italien, Griechenland oder Südfrankreich gemeint – und erst recht kein Deutscher mit schwarzen Haaren. Unserer Erfahrung nach wird mit der Bezeichnung Südländer eher ein Flüchtling, Türke oder Marokkaner assoziiert und damit wird das Vorurteil bestätigt, dass Kriminelle mit großer Wahrscheinlichkeit grundsätzlich aus diesen Regionen stammen.“
Bestimmte Bevölkerungsgruppen würden mit dieser Bezeichnung folglich unter Generalverdacht gestellt. Das sei das Prinzip „Racial Profiling“. Racial Profiling ist eine Form des institutionellen Rassismus und beschreibt die diskriminierende Verwendung von Zuschreibungen wie ethnische Zugehörigkeit, phänotypische Merkmale, nationale Herkunft als Auswahlkriterium für polizeiliche Maßnahmen, beispielsweise bei Kontrollen, Überwachungen und Strafermittlungen ohne konkretes Indiz.
Der Vorstand des Integrationsrates fordert einen sensibleren Umgang mit Personenbeschreibungen bzw. den völligen Verzicht auf Pressemeldungen und Aussagen gegenüber den Medien, die eine Verbindung herstellen zwischen der ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Hautfarbe oder Religion einerseits und kriminellem Verhalten andererseits.
„Wir halten Beschreibungen wie ’südländisch‘ in Fahndungsfällen für nicht zweckdienlich und fordern, ausschließlich konkrete Personenbeschreibungen zu verwenden.“ Selbstverständlich, so der Integrationsrat, müssten Straftaten aufgeklärt und geahndet werden – aber unabhängig von der Herkunft des Täters. „Bei der Strafverfolgung spielt die konkrete Täterbeschreibung eine wichtige Rolle, im Pressebericht haben so ungenaue Zuschreibungen nichts verloren.““ Quelle: http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22115098_Bielefelder-Polizei-soll-Bezeichnung-suedlaendisch-in-Fahndungsaufrufen-unterlassen.html
In einer Stellungnahme des Lokalchefs der NW, Carsten Heil, wird eine mögliche Alternative benannt, die sie aber kurioserweise nicht konsequent einsetzen wollen.
„Liegt eine Straftat vor, kann das Opfer nicht in jedem Falle den Tatverdächtigen exakt beschreiben. Es ist unzweifelhaft, dass ein öffentliches und individuelles Interesse daran besteht, die Tat aufzuklären. Dann verwenden wir eine umfassender gefasste Beschreibung, die nicht diskriminierender ist als die konkrete Beschreibung „schwarze Haare und Vollbart, dunkler Teint, braune Augen, Akzent.„ Quelle: http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/22115660_Kommentar-Wir-entscheiden-im-Einzelfall.html
Beim Begriff „Südländer“ stellt sich mir die Frage: Was genau ist gemeint? Geografisch ist der Begriff unspezifisch und verortet Menschen außerhalb von Deutschland, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen sein könnten. Deshalb: Für mich ein „No go“.
In etwas anderem Zusammenhang schrieb ich bereits etwas zu „Racial Profiling“ und die Probleme, die das mit sich bringt: https://stadtratereigugat.wordpress.com/2017/01/03/alternativloses-racial-profiling/
Am Rande dessen kam es auf Facebook zu einem „unglücklichen“ Kommentar des Geschäftsführers der evangelikalen Georg-Müller-Bekenntnisschulen, um das vorsichtig auszudrücken.
Im Nachgang bat er um Entschuldigung (tatsächlich auch bei mir, obwohl es hier um den Integrationsrat geht) und stellte gewisse Dinge klar. Das muss man zur Kenntnis nehmen und ich kann keine Zweifel an seiner Aufrichtigkeit äußern.
Hier zur vollständigen Dokumentation mein offener Brief:
Offener Brief an Johannes Michael Pieper bezgl. des Kommentars zum Integrationsrat
Sehr geehrter Herr Pieper,
im Rahmen der Berichterstattung um die Forderung des Integrationsrates Bielefeld, dass auf die Bezeichnung „Südländer“ in der Beschreibung von mutmaßlichen oder tatsächlichen Tätern in Zeitungsartikeln verzichtet werden sollte, posteten Sie unter dem Beitrag der Neuen Westfälischen auf deren Facebookseite (https://www.facebook.com/NWBielefeld/posts/10156114526216826) öffentlich den Kommentar „Wer beschwert sich denn da? Der Rat der Südländer?“. (Anlage: Screenshot. Vollständige Dokumentation liegt vor). Mittlerweile haben Sie den Kommentar nach diversen Nachfragen (Subkommentare) gelöscht.
Als hauptamtlicher Geschäftsführer des Trägervereins der evangelikalen Georg-Müller-Bekenntnisschulen haben Sie meiner Ansicht nach eine besondere und herausgehobene Verantwortung, da Sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem es um einen der wichtigsten und sensibelsten gesellschaftlichen Bereiche geht: Die Bildung und Ausbildung unserer Kinder.
Der Wert unserer demokratischen Institutionen sollte gerade in Zeiten wie diesen, in denen bestimmte reaktionäre Kräfte versuchen, einen Spalt in die Gesellschaft zu treiben, geschützt und befördert werden.
Man darf und kann den Integrationsrat ebenso wie alle anderen Institutionen selbstverständlich kritisieren. Man darf und kann den konkreten Inhalt der Forderung des Integrationsrates selbstverständlich kritisieren und anderer Meinung sein.
Mit ihrem nur als hämisch zu bezeichnenden Kommentar machen Sie allerdings die demokratische Institution „Integrationsrat“, die so wichtig ist für ein gedeihliches Miteinander in unserer Gesellschaft, lächerlich und drücken Verachtung aus.
„Mit dem Integrationsrat wird den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in den sie betreffenden Fragen die Möglichkeit zur politischen Teilhabe und zur gemeinsamen Gestaltung der Stadtgesellschaft gegeben, ein Beitrag zu einem friedlichen und respektvollen Miteinander in unserer Stadt.“, so heißt es in der offiziellen Beschreibung der Stadt Bielefeld (http://www.bielefeld.de/de/rv/ds_stadtverwaltung/int/ir/).
Ihr Kommentar verhöhnt diese demokratische Institution und damit die wichtige Aufgabe, die diese hat und das verurteile ich aufs Schärfste. Ich hoffe inständig, dass aus dem damit meiner Ansicht nach implizit ausgedrückten negativen Menschenbild keine Rückschlüsse auf die von Ihnen geführten Bildungseinrichtungen zu ziehen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Gugat

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