Bielefeld ist Teil des Städtebündnis „Sichere Häfen“. Wir haben in der Stadtratssitzung am 05.03.2020 beschlossen, dass wir 100 geflüchtete Menschen, davon 10 unbegleitete minderjährige Geflüchtete, aufnehmen.

Meine Rede dazu:

#WirHabenPlatz ist der Hashtag im Social Media von Aktivisten, die wollen, dass wir hier geflüchtete Menschen aufnehmen. Das ist nicht nur ein Hashtag. Es ist die Wahrheit. In Bielefeld ist derzeit ein Kontingent von rund 150 Plätzen für Geflüchtete frei. Das sind 150 saubere Betten, 150 mal Zugang zu Duschen und sanitären Anlagen, 150 mal Sicherheit und menschenwürdige Unterbringung.

Der Antrag heute stellt quasi die Frage: Wieso sind die Betten frei? Warum sind die Betten hier frei, während in Griechenland Menschen in katastrophalen Umständen dahinvegetieren müssen und deren Leib und Leben bedroht sind? Wir haben Platz!

Stellt euch nur vor, es gäbe einen Staatenbund, der Erdogan jetzt einfach durch echte Solidarität mit den geflüchteten Menschen an den Grenzen seine Grundlage für menschenverachtende Erpressung entziehen würde.

Wir verhandeln heute darüber, was wir hier, in Bielefeld, ganz konkret dazu beitragen können, das ein internationales Problem gelöst wird.

Bielefeld ist Teil des Städtebündnis „Sichere Häfen“. Wir wollen etwas tun und wir können etwas tun. Wir wollen 100 geflüchtete Menschen aus den griechischen Camps aufnehmen, in denen entsetzliche Zustände herrschen.

Ein rechtsextremistischer Mob übt Gewalt aus gegen die Flüchtlinge, gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen, die den Geflüchteten helfen möchte. Der griechische Staat versucht der Lage Herr zu werden, indem er die Grenzen dicht macht, Tränengas und möglicherweise sogar scharfe Munition auf Flüchtende schießt. Ein Kleinkind ist über den Rand eines Schlauchbootes gefallen und ertrunken, als das durchlöcherte Böötchen in Seenot geriet.

Zur Einordnung der Situation ein Vergleich. Auf Lesbos leben rund 86.000 Menschen. Im Camp Moria vegetieren aktuell 20.000 Geflüchtete. Auf Bielefeld bezogen würde das bedeuten, das wir hier zum Beispiel in der Senne ein Flüchtlingscamp hätten, in denen rund 80.000 Menschen wären.

Das würde in Bielefeld ebenfalls für erhebliche Schwierigkeiten sorgen. Es dürfte klar sein, das ich das nicht als Rechtfertigung für das erwähnte Verhalten meine. Für Rassismus, unsolidarisches Verhalten und Inhumanität gibt es keine Rechtfertigung.

Wir können ein Teil der Lösung sein, indem wir Geflüchtete aufnehmen. Wir haben Platz, wir haben die Ressourcen, wir haben die Möglichkeiten. Wenn jeder nur ein bißchen tut, tut keiner zu viel.

Griechenland wurde alleine gelassen. Die Probleme wurden durch uns erzeugt und gebilligt. Mit dem blutigen Deal mit Erdogan haben wir uns erpressbar gemacht. Nehmen wir ihm die Möglichkeiten zur Erpressung.

Die Sprache, die derzeit angesichts der Lage auf den griechischen Inseln im Diskurs verwendet wird, ist ebenfalls katastrophal:

Rechtsextreme Mobs sind keine „Bürgerwehren“. Tränengas gegen Kinder ist kein „Grenzschutz“. Menschen, die Asyl suchen, sind keine „Waffe“. Ein Europa, das Griechenland alleine lässt, ist keine „Union“. Ein Kontinent, an dessen Grenzen Menschen sterben, ist nicht „friedlich“.

CDU, FDP, BfB, Bielefelder Mitte und UBF, die sogenannten „bürgerlichen Parteien“ sagen, dass „wir gar nicht zuständig sind, die Profis sollen sich darum kümmern“, dass „hier versucht wird, Bielefelder Außenpolitik zu machen, was rechtlich gar nicht zulässig ist“, dass „das kontraproduktiv wäre und Schaden anrichten würde“, dass „wir nicht zusätzlich Geflüchtete aufnehmen sollen, weil ja bestimmt noch welche kommen würden, die uns zugewiesen werden“.
Das alles ist Mumpitz, bürokratischer Unsinn, eine Apparatschik-Schein-Diskussion, die nicht anerkennen will, dass es hier um Menschen in Not geht, denen schnell geholfen werden muss.

Wer sich diesem Antrag mit argumentativen Klimmzügen verweigert, der reicht seine moralische Insolvenz ein. Wir können hier in Bielefeld ein Teil der Lösung sein und Solidarität und Humanität beweisen, alles andere ist unterlassene Hilfeleistung.

Wir gehen hier den richtigen Weg. Wir bitten die Bundesregierung, dass wir Geflüchtete über die zugewiesenen Kontingente hinaus aufnehmen dürfen (denn in der Tat: das können wir gar nicht einfach machen). Wir geben der Bundesregierung ein klares Signal, dass Bielefeld (und viele weitere Städte) bereit dazu ist, seinen Teil zur Lösung eines internationalen Problems zu leisten – damit stärken wir ihr den Rücken.

Schlußendlich ist das alles eigentlich banal: Es geht um Humanität und Solidarität – um Hilfe in der Not.

Ich beantrage hiermit namentliche Abstimmung zu diesem Antrag, damit klar wird, wer sich warum dieser guten Sache verweigert.
grenzen

 

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