Auf einem Podium mit der AfD?

 

Im Rahmen der Absage der Podiumsdiskussion des Seniorenrates der Stadt Bielefeld mit den OB-Kandidat*innen gibt es unterschiedliche Betrachtungen. Wir hören oftmals „Die AfD muss in der Debatte gestellt werden!“. Oder: „Dadurch bringen wir sie in eine Opferrolle!“

Hinter dieser Aussage steckt meiner Ansicht nach, ein fundamentaler Irrtum. Es wird dabei davon ausgegangen, dass diese Leute eine gleichberechtigte Funktion und Position in einer Debatte einnehmen wollen. Das ist nicht der Fall.

Es geht denen nicht um unterschiedliche Meinungen und Argumente, es geht um Zerstörung. Dafür werden verschiedene rhetorische Mittel angewandt, die alle bei Schopenhauer („Die Kunst, Recht zu behalten“) nachzulesen sind.

Diskussionen mit vermeintlich „intellektuellen“ Rechtsextremist*innen laufen immer nach demselben Muster ab. Ich versuche das mal anhand des konkreten Anlasses nachzuzeichnen.

Thema wäre gewesen: „Senior*innenpolitik“. Hier gab es recht konkrete Forderungen und Fragen des Seniorenrates, die alle Menschen betreffen, die in einem höheren Alter sind. Die Fragen nach Wohnraum, Pflege, öffentliche Toiletten, etc.

Auf diese Fragen kann man konkrete Antworten finden, wie man diese als Kommunalpolitiker bearbeiten und lösen möchten. Beispiel Wohnraum: Wir gucken uns die demographische Entwicklung an, die Bedarfe, die Senior*innen haben (Barrierefreiheit, Anbindung an Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV etc.), man kommt zu Erkenntnissen und möglichen Lösungen. Eine Lösung könnte sein: Die Stadt soll bauen! (nur von den Linken vertreten). Eine andere, Förderung des Bielefelder Modells mit dem städtischen Eigenbetrieb BGW. Man kann sich über die Anzahl der benötigten Wohnungen und die Größe streiten und wieviel Geld einem das wert ist. Was das dann für den Haushalt der Stadt bedeutet. Man kann über besondere Bedarfe von älteren alleinlebenden Frauen reden, über besondere Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund, die immerhin ein Drittel der Stadtgesellschaft ausmachen. Über die Bedarfe von älteren LSBTI* Personen.

Zu allem ist es völlig zulässig, unterschiedlicher Meinung zu sein, anhand der vorliegenden Zahlen zu unterschiedlichen Lösungen zu kommen.

Die AfD würde den Sachdiskurs sprengen, indem sie darauf hinweist, dass wir zu viele Ausländer und speziell Geflüchtete haben. Die müssen aus dem Land raus, neue dürfen nicht rein, dann haben wir genug Platz für „unsere“ Alten. Die Prämisse würde in Frage gestellt werden, nachdem wir bei Lösungen für Sach-Probleme selbstverständlich nicht nach unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität, individuellen Fähigkeiten sowie Beschränkungen unterscheiden. Wir wollen jedem Menschen in seiner Einzigartigkeit und Facettenreichtum offen, freundlich und annehmend begegnen. Jede*r hat das Recht auf angemessene Sachlösungen, natürlich auch die individuellen Bedarfe. Das ist im Wesentlichen gesellschaftlicher Kontext.

AfDWohnen

Screenshot der AfD Homepage

Ein Florian Sander ist höchst eloquent. Er würde nicht sagen „Ausländer raus!“. Er würde das geschickt verpacken.

Als Mitdiskutant hat man dann zwei Möglichkeiten: Ignorieren des Gesagten. Damit würde dann eine nicht akzeptable Meinung unwidersprochen stehen gelassen und als Diskursbeitrag gleichberechtigt zugelassen. Geht nicht. Schweigen bedeutet Zustimmung. Ignoranz gegenüber rechtsextremistischen, menschenfeindlichen Positionen wurde zu oft gezeigt. Das hat insbesondere im Osten nicht funktioniert.

Oder man widerspricht, weist auf menschenfeindliche Aussagen hin, geht in den Diskurs, ob wir eine offene Gesellschaft sind. Sander würde widersprechen, dass er das so nicht gesagt hätte, würde geschickt nachlegen. Von den anderen Podiumsteilnehmer*innen wären einige (zu Recht) empört über die im Kern mit 100%iger Wahrscheinlichkeit rassistischen Aussagen und Provokationen. Damit das nicht stehen bleibt und oberflächlich der Eindruck entsteht „Stimmt. Hätten wir nicht so viele Ausländer, hätten wir mehr Platz“, muss man auf die Nichtzulässigkeit dieses vermeintlichen(!) Arguments hinweisen, da es menschenfeindlich und rassistisch ist. Die Diskussion würde sich nur noch darum drehen. Die Moderation würde versuchen, die Diskussionen wieder zum Sachthema zurückzuführen. Die AfD würde weiter provozieren.

Vom Sachdiskurs ist also ganz schnell keine Rede mehr. Es wird wütend und vergiftet. Die Sach-Themen des Seniorenrates spielen dann keine Rolle mehr.

Das nur als kurze Erklärung. Und deshalb habe ich Florian Sander und die AfD als „nicht satisfaktionsfähig“ benannt.

Müssen wir uns im Rat mit denen auseinandersetzen? Wahrscheinlich ja. Aber warum sollte ich mich freiwillig und ohne Not einem nur auf Zerstörung ausgelegten Diskurs aussetzen und die AfD damit aufwerten? Die AfD beteiligt sich nicht „um gestellt zu werden“ oder selber „zu stellen“. Das wäre ja Debatte und Diskurs. Sie will im Gegenteil zerstören. Nicht mehr und nicht weniger.

Und die Opferrolle? Die nehmen die sowieso ein. Wird abgesagt: Operrolle „Die wollen uns ausgrenzen!“. Wird widersprochen: Opferrolle „Unsere Positionen werden nicht ernst genommen!“. Ignoranz: „Die linksgrünversifften Altparteien wollen nicht über die Wahrheit reden!“. Die Opferrolle ist konstitutiver Bestandteil der AfD. Vergesst es einfach.

Nie wieder Faschismus!

Meine Mail an den Seniorenrat:

Sehr geehrter Herr Aubke,

wie ich erfahren habe, wird auch der Vertreter der faschistoiden AfD auf dem Podium des Seniorenrates am Freitag sein. Florian Sander ist für mich, der ich einer der Sprecher*innen des Bündnis gegen Rechts bin und auch als Teil des Orga-Teams des Bündnisses, der schon viele Demonstrationen gegen AfD-Veranstaltungen angemeldet und geleitet hat, nicht satisfaktionsfähig. Daher bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nur am Podium teilnehmen werde, wenn Florian Sander oder andere AfD-Vertreter*innen dort nicht sein werden. Bitte teilen Sie mir kurz Ihre Entscheidung mit.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Gugat

Hintergründe zur Person Florian Sander: https://rkowl.blackblogs.org/2020/04/30/florian-sander-afd-kandidat-nationalist-deutsch-unitarier-faschist/

PodiumAfD2

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